Umgang mit Unterrichtsstörungen und herausfordernden Kindern und Jugendlichen

  • 25.11.2023 von 09.00 Uhr bis 16.00 Uhr
  • Ort: Grundschule Im Kirchsteigfeld, 14480 Potsdam Lise-Meitner-Straße 4-6
  • Seminarleitung: Thomas Klaffke–Haupt-und Realschullehrer, mehrfach Klassenlehrer, mehr als 20 Jahre Schulleiter an einer Grund-, Haupt-und Realschule; jetzt als Fortbildner und Schulberater tätig.
  • Infos unter www.thomas-klaffke.de

Fortbildungsschwerpunkte:

  • Unterrichtsstörungen führen für Lehrkräfte (und auch für viele Schülerinnen und Schüler) oft zu Stress und Belastungen, insbesondere dann, wenn das Lehren und Lernen durch herausfordernde Kinder und Jugendliche beeinträchtigt wird.
  • Wie Lehrkräfte ihre Präsenz und persönliche Autorität stärken können.
  • Wie es auch in schwierigen Situationen gelingen kann, in der Beziehung zu den Lernenden konstruktiv zu bleiben.
  • Welche präventiven Maßnahmen es gibt, um Unterrichtsstörungen zu vermindern (Klassenführung, Classroom Management, Regeln und Rituale).
  • Welche Interventionen bei Störungen sinnvoll sind.
  • Wie Lehrkräfte in schwierigen Situationen mit herausfordernden Kindern und Jugendlichen klarkommen können.
  • Wie Verhaltensänderungen angebahnt werden können.Hierzu sollen Instrumente und Hilfen für das alltägliche Handeln im Klassenzimmer angeboten, auf Anliegen und Fragen der Teilnehmenden eingegangen und eventuell auch mit Fallbeispielen gearbeitet werden.

Diese Fortbildung ist gebührenfrei. Weitere Informationen unter www.bpv-vbe.de. Anmeldeschluss ist der 21.11.2023 unter adler@bpv.vbe.de

Die Landesregierung hat an die Lehrkräfte gedacht, aber Handlungsbedarf besteht weiterhin

Laut Pressemitteilung der Landesregierung vom 18.10.2023 wurden Verhandlungen zu den Arbeitsbedingungen im Öffentlichen Dienst mit Gewerkschafen und Verbänden erfolgreich abgeschlossen. Und Ja, der Bereich Bildung stand im Mittelpunkt der Gespräche und Beschlüsse. Was heißen die Ergebnisse für die Lehrkräfte in der Praxis?

  1. Die Höhe der Unterrichtsverpflichtung von Lehrkräften bleibt bis zum 30.Juni 2025 unverändert.
  2. Die freiwillige und langfristige Mehrarbeit (mindestens ein Schulhalbjahr) wird in der Höhe wie der reguläre Unterricht und monatlich bezahlt. (max. Stundenzahl 30h/Wo)
  3. Langzeitkonten für Mehrarbeit werden auf freiwilliger Basis für Tarifbeschäftigte fortgeführt und ausgebaut. Für beamtete Lehrkräfte soll diese Möglichkeit zeitnah eingerichtet werden.
  4. Für Lehrkräfte (ab Sek.I) werden Zulagen für Fachkonferenzleitungen Ma, D, En und Koordination Ganztag eingeführt.
  5. Die Hinzuverdienstmöglichkeiten für Beamte und Beamtinnen im Ruhestand sollen ab 01.08.2024, spätestens aber ab 01.01.2025, befristet für 7 Jahre angehoben werden.

Wo gibt es Handlungsbedarf für Gewerkschaften, Verbände und den Hauptpersonalrat?

  1. Für das „63plus-Modell“ sollen die konkreten Bedingungen zwischen Hauptpersonalrat der Lehrkräfte und MBJS vereinbart werden.
  2. Das MBJS, der dbb (mit BPV) und GEW führen Gespräche mit der Zielstellung, die Aufgabenentlastung der Lehrkräfte umzusetzen.
  3. Die Ergebnisse aus den aktuellen Tarifverhandlungen der Länder mit dem Beamtenbund dbb und den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes müssen auf die Beamtinnen und Beamten zeitnah per Gesetz durch den Landtag übertragen werden.

Der Brandenburgische Pädagogen-Verband fordert darüber hinaus:

  1. Alle angeordneten Mehrarbeitsstunden müssen in der Höhe der regulären Unterrichtsstunden bezahlt werden und das auch monatlich!
  2. Für Lehrkräfte in Grund- und Förderschulen müssen ebenfalls Zulagen für Fachkonferenzleitungen Ma, D, En und Koordination Ganztag eingeführt werden!
  3. Der Brandenburgische Pädagogen-Verband fordert mehr öffentliche Anerkennung für die Arbeit aller Pädagoginnen und Pädagogen, sowie eine spürbare Entlastung von allen nicht pädagogischen Aufgaben.

Keine Wertschätzung im Angebot: VBE zum Ausgang der zweiten Verhandlungsrunde

 

Die Gespräche in der zweiten Verhandlungsrunde am 2. und 3. November 2023 sind ergebnislos beendet worden. Leider hat die Arbeitgeberseite trotz zahlreicher Sonntagsreden über Wertschätzung für die Beschäftigten in den Schulen und trotz eines eklatanten Personalmangels erneut kein akzeptables Angebot vorgelegt.

Mit Hinweis auf die schwierige finanzielle Lage in vielen Bereichen lehnte die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) die Forderungen als unrealistisch ab. Die Gewerkschaften haben ihre begründeten Forderungen aufrechterhalten: Einkommenserhöhungen in Höhe von 10,5 Prozent, mindestens jedoch 500 Euro, bei einer Laufzeit von zwölf Monaten.

VBE und dbb beamtenbund und tarifunion fordern zudem bereits seit 2017, dass der Tarifvertrag zur Eingruppierung der Lehrkräfte der Länder (TV-EntgO-L) zeitgemäß angepasst wird. Das Forderungspaket der Gewerkschaften wurde 2019 der TdL vorgelegt. Trotz einer verbindlichen Vereinbarung in Gestalt einer Protokollerklärung, mit der sich die Tarifvertragsparteien verpflichten, nach Abschluss der Entgeltrunde 2019 Tarifverhandlungen aufzunehmen, gab es keine weiteren Gespräch. Bislang zeigte die Arbeitgeberseite – trotz mehrerer schriftlicher Aufforderungen – keine Reaktion. Angesichts der alarmierenden Personalsituation im Lehrkräftebereich können wir uns keinen weiteren Stillstand bei diesem Thema leisten.

Rita Mölders, stellvertretende Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Arbeitsbereich Tarif: „Wertschätzung sieht anders aus! Jetzt, wo es gilt, den Beschäftigten in den Kindertageseinrichtungen und Schulen den Rücken zu stärken, fehlen der Arbeitgeberseite die Worte. Und vor allem fehlen echte Zusagen. Wir müssen unseren Forderungen Nachdruck verleihen und unmissverständliche Signale an die Arbeitgebenden senden. Daher wird weitergekämpft, mit guten Argumenten am Verhandlungstisch, mit bundesweiten Warnstreiks und Kundgebungen auf der Straße. Die Streikbereitschaft der Beschäftigten in den Kindertageseinrichtungen und den Schulen ist hoch. Denn sie erwarten Respekt und Anerkennung für ihre Leistungen und das muss sich auch durch eine deutliche Einkommenssteigerung zeigen.“ Weitere Informationen zu den Tarifverhandlungen und den Forderungen finden Sie auf vbe.de oder den Seiten unseres Dachverbandes dbb beamtenbund und tarifunion.

 

VBE Pressedienst 03.November 2023

Tarifrunde der Länder: Gewerkschaften fordern 10,5 %, mindestens jedoch 500 €

Die Gremien des dbb beamtenbund und tarifunion, der Dachorganisation des VBE, haben am 11. Oktober 2023 gemeinsam mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und dessen Gremien die Forderungen zur Einkommensrunde 2023 mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) beschlossen:

  • Die Tabellenentgelte der Beschäftigten sollen um 10,5 Prozent, mindestens aber um 500 Euro monatlich erhöht werden.
  • Die Entgelte der Auszubildenden, Studierenden und Praktikantinnen und Praktikanten sollen um 200 Euro monatlich erhöht werden.
  • Die Laufzeit soll 12 Monate betragen.
  • Unbefristete Übernahme in Vollzeit der Auszubildenden und Dual Studierenden nach erfolgreich abgeschlossener Ausbildung.

Gefordert wird zudem eine zeitgleiche und systemgerechte Übertragung des Verhandlungsergebnisses auf die Beamtinnen und Beamten sowie die Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger der Länder und Kommunen.

Dazu erklärt Rita Mölders, stellvertretende Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Arbeitsbereich Tarifpolitik:

„Der VBE sieht 10,5 Prozent mehr als absolut angemessen an. Es gilt, dem immer weiter um sich greifenden Personalmangel an Schulen entgegenzutreten. Denn es ist eine Frage des Marktes, für welche Tätigkeit sich zum Beispiel jene entscheiden, die gerade ihr Studium abgeschlossen haben. Wenn der Öffentliche Dienst nicht liefert, können sie genauso gut und für besseres Geld in der Wirtschaft arbeiten. Nicht zuletzt muss sich die Wertschätzung für die verantwortungsvolle und engagierte Arbeit der Lehrkräfte, des pädagogischen Personals und der Leitungen muss sich in der Bezahlung widerspiegeln. Wir dürfen den Anschluss nicht verlieren! Dafür muss die TdL sorgen.“

Nach wie vor gebe es einen großen Nachholbedarf im Länderbereich. Und dieser werde immer weiter ansteigen, wenn jetzt nichts passiert. Eine volumengleiche Erhöhung, analog zur Höhe des Ergebnisses der Einkommensrunde Bund und Kommunen, welche die Rückstände zum TV-öD ausgleicht und die weitere Teilnahme an der Einkommensentwicklung sichert, ist zwingend notwendig, um hier weiteren Ungerechtigkeiten begegnen zu können.

Die Tarifzuständige des VBE, Rita Mölders, betont die angespannte Ausgangslage:

„Wir werden uns auf eine schwierige Einkommensrunde einstellen müssen, die Vertreterinnen und Vertreter der TdL werden uns nichts schenken. Es gibt viele Argumente, die für eine deutliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen sprechen, darunter die hohe Arbeitsbelastung, der eklatante Personalmangel an Schulen und nicht zuletzt die Reallohnverluste durch die hohe Inflation der vergangenen zwei Jahre. Doch all die Argumente allein werden erwartungsgemäß nicht ausreichen, um faire Bedingungen für die Beschäftigten sicherzustellen und erfolgreich zu sein. Für ein gutes Verhandlungsergebnis in Potsdam braucht es eine starke Geschlossenheit der Mitglieder im VBE. Wir müssen zusammenhalten und zeigen, dass wir die Stärke und die Kraft haben, unsere Themen gemeinsam nach vorne zu bringen, wenn notwendig, auch auf der Straße.“

Sie macht außerdem deutlich, dass selbst eine bessere Bezahlung das Problem des immensen Lehrkräftemangels nicht wird lösen können. Was es auch brauche, sind Absprachen mit der TdL zur Verhandlung einer zeitgemäßen Anpassung der Entgeltordnung für Lehrkräfte und endlich bessere Rahmenbedingungen an Schule.

Kontext:

Für die anstehenden Verhandlungen für den Tarifbereich der Länder (TV-L) sind drei Verhandlungsrunden für den 26. Oktober 2023, den 2. bis 3. November 2023 sowie den 7. bis 9. Dezember 2023 vereinbart.

Davon sind etwa 3,5 Millionen Beschäftigte betroffen: Direkt ca. 1,1 Millionen Tarifbeschäftigte der Bundesländer (außer Hessen, das eigene Verhandlungen führt), indirekt ca. 1,4 Millionen Beamtinnen und Beamte der entsprechenden Länder und Kommunen sowie rund eine Million Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger.

Weitere Informationen erhalten Sie auch auf den Seiten unseres Dachverbandes, dem dbb beamtenbund und tarifunion.

Junger BPV aktiv für Mitgliedergewinnung

Für den Jungen BPV liegt in jedem Jahr zu Schuljahresbeginn der Schwerpunkt der Verbandsarbeit auf der Mitgliedergewinnung.

So werden in den Studienseminaren in Potsdam, Bernau und Cottbus die neuen Referendare begrüßt und der BPV stellt sich als Gewerkschaft vor.

Das Anliegen ist es, die jungen Lehrkräfte auf ihrem Weg ins Berufsleben zu unterstützen. Dazu gehören Fortbildungsangebote, Gesprächsrunden, Materialien wie Praxishelfer (Broschüren), Kalender, Mitgliedermagazin und natürlich die Serviceleistungen, wie z.B. Rechtsschutz oder Schlüsselversicherung.

In den letzten Jahren ist es gelungen, an der Uni Potsdam eine starke Gruppe mit jungen BPV-Mitgliedern aufzubauen. Einige davon sind auch in den Fachschaftsräten aktiv. Eine wichtige Aktion war im vergangenen Jahr der offene Brief zum Thema „Praxisnahes Lehramtsstudiums“, mit dem die Studierenden die Forderungen aus dem ebenfalls offenen Brief der Professorinnen und Professoren unterstützten. Basis dafür waren die Gespräche an der Uni Potsdam zum Lehrerbildungskonzept des BPV.

Unsere jungen Mitglieder begrüßten in den Einführungsveranstaltungen auch in diesem Jahr die Studienanfänger in Golm und stellten uns als Gewerkschaft vor. Es gelang viele Studierende für den BPV zu gewinnen. Das ist wichtig, denn der BPV kann sich mit einer starken Gruppe an der Uni für bessere Studienbedingungen besser einbringen.

Beim WarmUp am 19.10.2023 wird der Junge BPV weitere Gespräche suchen und den BPV auch hier wieder als Gewerkschaft vorstellen.

Wichtig ist, dass gerade die jungen Kolleginnen und Kollegen an den Schulen angesprochen werden, um sie als BPV-Mitglieder zu unterstützen oder sie als Neumitglieder zu gewinnen, denn gerade in den Zeiten, des akuten Lehrkräftemangels brauchen sie die Unterstützung erfahrener Mitglieder.

Wenn wir über antimuslimischen Rassismus sprechen, müssen wir uns auch damit befassen, was ausgeklammert wird!

 Auf Initiative des Bundesministeriums des Innern und für Heimat wurde der sogenannte Unabhängige Expertenkreis Muslimfeindlichkeit (kurz: UEM) vor rund drei Jahren eingesetzt, insbesondere auch in Reaktion auf den rassistischen Anschlag in Hanau am 19. Februar 2020. Neun Expert:innen haben seitdem relevante Studien, Erkenntnisse, aber auch Handlungsstrategien erarbeitet, die sich in einem 400-seitigen Bericht wiederfinden. Dieser wurde in Berlin am 29.06.2023 vorgestellt und verdeutlicht, dass Muslimfeindlichkeit sehr stark in der Breite der Gesellschaft verankert ist und Muslim:innen bzw. auch diejenigen, die als Muslim:innen wahrgenommen werden, in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen keine gleichberechtigte Teilhabe genießen. Im Kontext von Schule drückt sich dies u.a. dadurch aus, dass Diskriminierung gegenüber Muslim:innen von etwa einem Drittel aller Lehrkräfte ausgeht und muslimische Menschen und der Islam in Schulbüchern primär negativ dargestellt werden. Sarah Zendeh vom ZEOK e. V. hat mit Prof. Dr. Karim Fereidooni über antimuslimischen Rassismus im Kontext Schule gesprochen.

Sarah Zendeh (SZ): Herr Fereidooni, welche Erkenntnisse aus dem kürzlich erschienenen UEM-Bericht in Bezug auf das Handlungsfeld Bildung erachten Sie als besonders relevant, mit Blick auf die Arbeit von Lehrkräften sowie auch allgemein für Schulen?

Karim Fereidooni (KF): Als besonders interessanten Punkt möchte ich gerne die Studie zum Thema Schulbücher und Curricula rausgreifen. Insgesamt wurden 761 Schulbücher in den Fächern Geschichte, Politik, Sozialkunde und Geografie sowohl von allgemeinbildenden als auch berufsbildenden Schulen in allen 16 Bundesländern bezüglich der Darstellung von Muslim:innen untersucht. Aus diesen Untersuchungen geht hervor, dass Muslim:innen, wenn sie denn überhaupt in Schulbüchern vorkommen, primär negativ dargestellt werden, beispielsweise im Zusammenhang mit Terror oder mit Herausforderungen für die deutsche Gesellschaft. Zudem haben wir bundesweit 348 Lehrpläne untersuchen lassen und hierbei fällt auf, dass in keinem der untersuchten Lehrpläne auf die Themen Islamfeindlichkeit und antimuslimischer Rassismus verwiesen wird. Wenn wir also über antimuslimischen Rassismus sprechen oder forschen wollen, müssen wir uns auch damit befassen, was ausgeklammert wird. Dies betrifft explizit den Themenbereich antimuslimischer Rassismus. Lehrkräfte und Schüler:innen nehmen Schulbücher nicht als „normale“ Bücher wahr, sondern glauben, dass diese die ultimative Wahrheit beinhalten. Schulbücher durchlaufen einen komplexen Prozess, um überhaupt genehmigt zu werden. Da an diesem Prozess Bundesländer, Schulbuchverlage und Expertengremien beteiligt sind, glauben sowohl Lehrkräfte als auch Schüler:innen, dass sie in diesen Büchern mit der reinen Wahrheit konfrontiert werden. Wenn aber die sogenannte Wahrheit antimuslimische Narrative beinhaltet, dann besteht die Gefahr, dass Lehrkräfte und Schüler:innen diese Inhalte internalisieren und weiterverbreiten. Deshalb ist es besonders wichtig, dass wir aufpassen, was in den Schulbüchern veröffentlicht wird.

SZ: Inwieweit muss sich die Ausbildung und Arbeit der angehenden Lehrkräfte verändern, um eine höhere Sensibilität für antimuslimischen Rassismus zu fördern?

KF: Wir müssen bei der Universitätsausbildung (1. Phase der Lehrer:innenbildung) ansetzen und sowohl diese als auch die Studienseminar-Ausbildung (2. Phase der Lehrer:innenbildung) verändern. Der Themenkomplex Rassismus und im Speziellen antimuslimischer Rassismus muss in die Lehrer:innenausbildung und -fortbildung implementiert werden und die Lehrpläne müssen sich soweit verändern, dass antimuslimischer Rassismus als explizite Erscheinungsform des Rassismus vorkommt. Dazu müssen auch Seminar-Dozierende und die Dozierenden der Universität entsprechend geschult werden und Kompetenzen erwerben, wie sie rassistischem und diskriminierendem Verhalten entgegenwirken können.

Zum anderen ist es notwendig, dass in den Schulbuchverlagen eine Diversifizierung stattfindet, sowohl in der Auswahl der Bilder und Statistiken zum Thema Islam und Muslim:innen, als auch hinsichtlich der Zusammensetzung der Gremien, die über Lehrpläne und Schulbuchinhalte entscheiden, denn diese Gremien sind bislang kein Spiegelbild unserer Gesellschaft und das muss sich ändern.

SZ: Häufig berichten uns Lehrer:innen, dass sie weder Zeit noch Ressourcen haben, um sich noch mit dem Thema Rassismus zu beschäftigen. Sie fühlen sich ohnehin bereits überlastet und überfordert. Welche Maßnahmen bzw. welche Haltungen können dabei helfen, dass Lehrkräfte in einem kontinuierlichen Reflexionsprozess bleiben, um rassistischem Verhalten entgegenzuwirken?

KF: Anschließend an die individuellen Maßnahmen, die ich eben genannt habe, ist es natürlich auch wichtig, über strukturelle Maßnahmen zu sprechen. Aus meiner Sicht ist das derzeitige deutsche Schulsystem nicht darauf ausgelegt, Schüler:innen adäquat zu beschulen und die Gesundheit der Lehrkräfte zu erhalten bzw. zu fördern. Wir verlangen sehr viel von Lehrkräften, ohne ihnen die entsprechenden Ressourcen an die Hand zu geben und wir schmeißen sie in ein System, das gar nicht darauf angelegt ist, langfristig über Ungleichheitsstrukturen nachzudenken. Aus diesem Grund plädiere ich zuerst einmal für strukturelle Reformmaßnahmen. Das bedeutet beispielsweise, dass sowohl die Anzahl der wöchentlichen Unterrichtsstunden pro Lehrkraft als auch die Anzahl der Schüler:innen pro Klasse auf je 15 reduziert werden müssen. Damit wird ermöglicht, dass sich Lehrkräfte adäquat auf den Unterricht vorbereiten und Fortbildungen besuchen können und dass innerhalb der Klassen kontinuierlich Projektarbeit geleistet und Binnendifferenzierungen vorgenommen werden können. Diese strukturellen Maßnahmen unterstützen Lehrkräfte dabei, menschenverachtenden Aussagen entschlossen entgegenzutreten und sich im Sinne des Grundgesetzes zu positionieren. Der gegenwärtige Status quo in der deutschen Schullandschaft führt hingegen dazu, dass sich Lehrkräfte gestresst fühlen und sie keine Zeit haben, um sich weiterzubilden und eine bestimmte Haltung zu entwickeln. Die Verantwortung sehe ich hier eindeutig in der Politik: Diese muss den UEM-Bericht lesen, den Maßnahmenkatalog durchgehen und entschlossen die von uns entwickelten Lösungsmöglichkeiten umsetzen. Innerhalb dieses Themenkomplexes, egal ob antimuslimischer Rassismus oder Antisemitismus und alle weiteren Diskriminierungsformen, gibt es nämlich kein Erkenntnisdefizit, sondern ein Handlungs- bzw. Umsetzungsdefizit der Politik. Darin liegt das Problem und dieses muss die Politik beheben. Für den Bildungsbereich heißt das, dass auf einer strukturellen Ebene, im Sinne einer Reform des deutschen Schulwesens, gehandelt werden muss, damit Lehrkräfte und Schüler:innen darin unterstützt werden, Ungleichheitsstrukturen im Unterricht zu thematisieren.

SZ: Wie können Menschen mit Migrationsbiografie für den Lehrer:innenberuf begeistert bzw. als Lehrkräfte ins deutsche Schulsystem eingebunden werden und zwar sowohl Deutsche mit Migrationsgeschichte als auch Lehrkräfte, die aus anderen Ländern nach Deutschland geflüchtet sind?

KF: Hier würde ich erstmal zwischen diesen beiden Gruppen differenzieren. Was Geflüchtete betrifft, die bereits in ihren Heimatländern als Lehrkräfte gearbeitet haben, gibt es aus meiner Sicht zwei Hürden: Zum einen müssen angehende Lehrer:innen in Deutschland in zwei Fächern und Bildungswissenschaft einen Masterabschluss erwerben. In vielen Staaten der Welt reicht der Bachelor aus und Lehrkräfte unterrichten nur ein Fach. Deshalb werden ausländische Berufsabschlüsse oft nicht anerkannt. Die zweite Herausforderung betrifft die Diskriminierung im Kollegium, wenn man Deutsch mit einem Akzent spricht oder grammatikalische Fehler macht. Im Rahmen meiner Doktorarbeit zum Thema Rassismuserfahrungen von Referendar:innen und Lehrkräften habe ich beispielsweise herausgefunden, dass es in Bezug auf Diskriminierungserfahrung nicht egal ist, welcher Akzent gesprochen wird, da es einige Akzente gibt, die negativer wahrgenommen werden (z. B. Türkisch, Arabisch oder Russisch) als andere. Ist hingegen eine Person Englisch Native Speaker, wird sie, auch von Seiten der Schulleitung, positiv wahrgenommen, weil dieser Akzent als „schick“ gilt.

Bezüglich Personen mit internationaler Familiengeschichte, die in Deutschland geboren sind, sehe ich das aus einer anderen Perspektive, da sie einen „deutschen“ Bildungshintergrund haben. Hier geht es aus meiner Sicht um Empowerment und Stärkung der Resilienz in Bezug auf Rassismuserfahrungen im deutschen Schulwesen. Es gibt einige Personen, die das Referendariat abbrechen, weil ihnen suggeriert wird, dass sie nicht dazugehören. Wiederum andere betätigen sich als Change Agents, die selbst Rassismuserfahrungen in Schulen gemacht haben und nun ein positives Vorbild für Schüler:innen sein möchten und sich für die Veränderung von Schulen einsetzen.

SZ: Wenn wir jetzt noch mal den Blick auf die Schüler:innen mit Migrationsbiografie richten: Welche Strukturen bzw. Unterstützung helfen ihnen dabei, um gleichberechtigt im Schulsystem teilhaben zu können?

KF: Es ist sehr wichtig, dass Schüler:innen mit Rassismuserfahrungen nicht alleingelassen werden. Sie müssen sich darauf verlassen können, dass es an jeder einzelnen Schule etablierte Beschwerdestrukturen gibt und sie die Gewissheit haben, dass eine Beschwerde, beispielsweise bei einer Antidiskriminierungsstelle an der Schule, positive Konsequenzen hat. Eine „Schule ohne Rassismus“-Plakette allein reicht nicht aus, um eine rassismuskritische Schule zu werden. Das heißt, es muss konsequent daran gearbeitet werden, dass diese Plakette auch mit Leben gefüllt wird, beispielsweise in Form von Fortbildungen für Lehrkräfte und anderen Projekten. Es gibt nämlich auch Schulen, die seit Jahren nichts mehr in diesem Bereich machen und trotzdem diese Plakette besitzen. Damit das nicht passiert, müssen regelmäßig Studien durchgeführt und die Maßnahmen der Schule evaluiert werden. Zu einer Schule, die diese Plakette trägt, gehören Beratungsstrukturen, Beschwerdestrukturen und regelmäßige Fortbildungen für Lehrkräfte – diese müssen Rassismuskritik als Professionskompetenz anerkennen. Vor diesem Hintergrund ist es notwendig, guten Unterricht zum Thema Rassismus zu machen und Unterrichtsmaterialien mit einer rassismuskritischen Perspektive zu behandeln. Wenn es um Reformmaßnahmen im Bereich der Rassismuskritik geht, sind für mich die Schüler:innen der wichtigste Motor: Es ist wichtig, ihnen aktiv zuzuhören und die Lehrkräfte sollten eine offene Haltung haben, wenn ihnen Schüler:innen von Rassismuserfahrungen berichten. Denn aufgrund der Notenmacht der Lehrkräfte ist es für Schüler:innen oftmals schwierig, Rassismus anzusprechen. Zudem wird häufig noch angenommen, dass es Rassismus nur bei den extremen Rechten gibt oder er ein Problem der Vergangenheit ist. Das führt dazu, dass Schüler:innen mundtot gemacht werden, da sie mit negativen Konsequenzen rechnen müssten, wenn sie Rassismus ansprechen.

SZ: Gibt es in Deutschland Schulen, die sich auf den Weg gemacht haben, rassismussensibel zu arbeiten und von denen gelernt werden kann?

KF: Es gibt in allen Bundesländern Schulen, die sich auf den Weg gemacht haben, einen rassismuskritischen Organisationsprozess durchzulaufen. Mit Hilfe von externen Partner:innen veranstalten diese Schulen Workshops, Vorträge oder erhalten Beratungsunterstützung, damit sie weiterhin diesen Weg gehen können. Alleine werden diese Schulen es nicht schaffen, diesen Prozess zu bewältigen, deshalb rate ich allen Schulen, externe Kooperationspartner:innen in Anspruch zu nehmen, Workshops zu buchen sowie Vorträge zum Thema Rassismuskritik zu organisieren. Mit dieser Form von Unterstützung können Schulen sowohl individuelle als auch schulspezifische Konzepte entwickeln, die dem Label „Rassismuskritische Schule“ auch tatsächlich Rechnung tragen.

SZ: Herr Fereidooni, vielen Dank für Ihre Expertise und das interessante Gespräch!

Prof. Dr. Karim Fereidooni ist Professor für Didaktik der sozialwissenschaftlichen Bildung an der Ruhr-Universität Bochum. Seine Arbeitsschwerpunkte sind: Rassismuskritik in pädagogischen Institutionen, Schulforschung und Politische Bildung in der Migrationsgesellschaft und Diversitätssensible Lehrer:innenbildung.
Weitere Informationen auf www.sowi.rub.de/sowifd/ und www.karimfereidooni.de/

Das Gespräch führte Sarah Zendeh (ZEOK e.V.) im Rahmen des Kompetenznetzwerks Islam- und Muslimfeindlichkeit (Bundesprogramm Demokratie leben!).

Weltlehrkräftetag: Lehrberuf als Berufung für die neue Generation

Zum Weltlehrkräftetag veröffentlichte Statista aktuelle Daten und Auswertungen zum Thema Quer- und Seiteneinstieg in den Lehrkräfteberuf sowie zum Lehramtsstudium. Der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Gerhard Brand, kommentiert diese Zahlen wie folgt:

Steigende Zahl Quer-/Seiteneinstieg

„Die Zahlen zeigen: Das Arbeiten mit Kindern und die Sinnhaftigkeit des Berufs ziehen nicht nur Menschen an, die bereit sind, das Lehramtsstudium abzuschließen, sondern auch viele andere, die aus der Wirtschaft, anderen Studiengängen oder Ausbildungsberufen in die Schule wechseln. Das könnte ein Gewinn für die Schule sein – wenn es wenige Personen wären, die gut vorbereitet, berufsbegleitend qualifiziert und angemessen begleitet werden könnten. Diese Bedingungen gibt es aber nicht. Die Realität sieht also so aus, dass Personen im Quer- oder Seiteneinstieg Zeit binden, welche die Bestandslehrkräfte nicht haben. Es gibt keine oder nicht ausreichend Kooperationszeiten und nicht in allen Bundesländern eine ausreichende Vorbereitung. Zudem heißt der in den Statistiken sichtbare Anstieg nicht nur, dass mittlerweile nahezu überall Personen ohne Lehramtsqualifikation eingesetzt werden. Es heißt auch, dass vor allem an Schulen, die wenig attraktiv sind für jene, die sich ihren Arbeitsort aussuchen können, eine sehr hohe Quote an Menschen im Quer- oder Seiteneinstieg zu beobachten ist. Dort also, wo wir die höchste pädagogische Qualität bräuchten, haben wir die höchste Anzahl an Menschen, welche die pädagogische Qualifizierung, wenn überhaupt, teilweise erst berufsbegleitend erhalten. Damit wird man weder Kindern und Jugendlichen noch jenen gerecht, die sich für das Arbeiten in der Schule entscheiden.“

Sinkende Zahlen Lehramtsstudium

„Die Bemühungen der Kultusministerien fruchten nicht! In Hochzeiten des Lehrkräftemangels beginnen sogar sieben Prozent weniger Menschen ein Lehrkräftestudium und zehn Prozent weniger schließen es ab als noch vor zehn Jahren. Hier zeigt sich auch die allgemeine Entwicklung eines gravierenden Fachkräftemangels. Das Bildungssystem steht in direkter Konkurrenz zur Wirtschaft. Es ist daher unbedingt notwendig, den Lehrberuf deutlich attraktiver zu gestalten. Das Arbeiten in Team mit verschiedenen Professionen, das Nachrüsten digitaler Infrastruktur und das Beibehalten flexibler Arbeitszeitmodelle sind dafür unbedingt notwendig.

Hinzu kommt: Die neue Generation, die nun auf den Arbeitsmarkt kommt, erwartet andere Strukturen. Viele sind mit Verbeamtung nicht mehr zu locken. Aber Lehrkraft sein ist mehr als Geldverdienen. Das könnte die große Chance sein, die neue Generation anzusprechen. Jene, die Sinn im Leben haben wollen, können an der Schule nicht nur Beruf sondern Berufung finden. Dafür braucht es aber die entsprechenden Bedingungen. Es reicht nicht aus, wenn mit schönen Worten die Arbeit von Lehrkräften gelobt wird. Den Grundstein dessen, was eine Gesellschaft leisten kann, legen wir in der Schule. Die Wertschätzung dafür muss sich in Taten zeigen. Dann wird der Beruf auch wieder so attraktiv, dass ihn viele ergreifen möchten.“

Fazit

„Das Kartenhaus Schule ist fragil. Die Basis müssen die Bestandslehrkräfte sein, die Hand in Hand mit den Fachkräften aus dem multiprofessionellen Team arbeiten. Dann können sie Menschen im Referendariat adäquat betreuen und Personen im Quer- und Seiteneinstieg begleiten. Wenn sich das Verhältnis aber umkehrt und noch dazu keine Unterstützung durch weitere Professionen vorhanden ist, kommt das Gebilde ins Wanken. Nicht auszudenken, was dann passiert.“