Starke Defizite beim Handschreiben: Ausbildung von Lehrkräften stärken

Mehr Kinder und Jugendliche brauchen Hilfe beim Handschreiben. Trotzdem beklagt eine große Mehrheit der Lehrkräfte an Primar- und Sekundarschulen, dass sie in der Lehramtsausbildung nicht ausreichend darauf vorbereitet wird, den Schülerinnen und Schülern bei Schreibschwierigkeiten gezielt Hilfestellung zu geben. Dies ist das Ergebnis des zweiten Teils der STEP-Studie 022 mit dem Schwerpunkt Aus- und Fortbildung von Lehrkräften, die das Schreibmotorik Institut gemeinsam mit dem Verband Bildung und Erziehung (VBE) durchgeführt hat. Der erste Teil hatte ergeben, dass sich die Probleme von Kindern und Jugendlichen, denen das Schreiben mit der Hand schon vorher schwerfiel, während der Corona-Pandemie noch einmal deutlich verschärft haben – vor allem bei den Jungen.

Neun von zehn Lehrkräften , unabhängig von der Schulform, halten eine Förderung des Handschreibens als kontinuierliche Bildungsaufgabe über alle Klassenstufen hinweg für notwendig. Auch das hat die dritte STEP-Umfrage ergeben. Im Primarbereich wird dabei besonders auf individuelle Förderung gesetzt. Auch im Sekundarbereich halten die Lehrerinnen und Lehrer regelmäßiges Üben für sehr wichtig, obwohl die Lehrpläne dies nicht mehr vorsehen. Neben einem speziellen Schreibmotorik-Training sollte nach Ansicht der Lehrkräfte auch die Feinmotorik der Kinder und Jugendlichen geschult werden.

Mehr als jeder zweite Junge und fast jedes dritte Mädchen hat Probleme beim Schreiben. Schwierigkeiten bei der Schreibstruktur, im Tempo des Handschreibens sowie bei der Leserlichkeit sind die drei Hauptprobleme, die sich nach Angaben der Lehrkräfte durch den pandemiebedingten Distanz- und Wechselunterricht nochmals verstärkt haben. Dies hatte der erste Teil der STEP-Studie ergeben. Ein weiteres, gravierendes Problem: Fast die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe ist nicht mehr in der Lage, länger als eine halbe Stunde beschwerdefrei zu schreiben.

„Dabei hat Handschreiben einen sehr positiven Effekt auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen – auf deren Kreativität, Merkfähigkeit und inhaltliches Verständnis“, betont Marianela Diaz Meyer, Geschäftsführerin des Schreibmotorik Instituts. „Erst mit 15 oder 16 Jahren ist die Automatisierung des Handschreibens abgeschlossen“, sagt die Ergonomie Expertin. Dann müssten sich Schülerinnen und Schüler nicht mehr mit dem Schreibprozess befassen, sondern könnten sich auf Inhalte konzentrieren.

Doch nur eine Minderheit der Lehrkräfte fühlt sich gut genug ausgebildet, um Schülerinnen und Schülern die dringend notwendige Unterstützung beim Schreiben von Hand zu geben. Lediglich ein Drittel der Grundschullehrkräfte gibt an, dass sie in der Ausbildung genügend Wissen über die Vermittlung des Handschreibens erworben haben und nur ein Sechstel über den Umgang mit Problemen dabei. Auch fühlt sich nur jede dritte Lehrkraft der Primarstufe gut darauf vorbereitet, mit den teils nicht unerheblichen Unterschieden bei den Lernständen der Handschreibfähigkeiten der Schüler:innen umzugehen. Deutlich prekärer ist die Situation in der Sekundarstufe: Hier konnte nur eine von 20 Lehrkräften entsprechende Kenntnisse erwerben.

Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Bildungsverbandes VBE, sieht bei diesen Missständen die Politik in der Verantwortung: „Schulen haben schon vor der Corona-Pandemie unter einem massiven, ständig wachsenden Lehrkräftemangel gelitten. Individuelle Förderung, wie sie auch für das Erlernen einer flüssigen und sicheren Handschrift notwendig ist, ist derzeit angesichts der vielen Herausforderungen immer seltener umsetzbar. Und dieser Negativtrend wird sich ungebremst fortsetzen, wenn die politisch Verantwortlichen nicht sofort gegensteuern. Auch in der Aus- und Fortbildung von Lehrkräften sowie bei der Verankerung des Themas in den Lehrplänen.“

Diaz Meyer hält eine gute, sichere Handschrift für essenziell: „Wer nicht flüssig und in einer gewissen Geschwindigkeit schreiben kann, kann dem Unterricht oft nicht mehr richtig folgen“ Das bestätigt auch der VBE-Vorsitzende Beckmann: „Das Schreiben mit der Hand und die damit verbundenen Vorteile für das Lernen insgesamt sind für die gesamte Bildungsbiografie von großer Bedeutung ist. Jeder weiß, was ich mir per Hand notiere, merke ich mir viel leichter. Es geht um die Sicherung von Kompetenzen, die auch im digitalen Zeitalter unverzichtbar sind.“

In der Schule genüge pro Woche bereits eine Stunde schreibmotorische Förderung für eine Reihe positiver Effekte, erklärt die Geschäftsführerin des Schreibmotorik Instituts. Sie hält dabei eine fächerübergreifende Arbeit für sinnvoll. Die Ergebnisse seien beeindruckend, die Zeit gut investiert: Eine flüssigere Handschrift der Kinder und Jugendlichen lasse einen größeren Fokus auf die Inhalte des Unterrichts zu.

Laut der STEP-Umfrage erwarben fast ebenso viele Lehrkräfte ihr Wissen rund ums Handschreiben durch Fortbildungen wie durch die Ausbildung. „Unsere Fortbildungen zeigen, dass es eine große Nachfrage nach dem Know-how des Schreibmotorik Instituts gibt“, so Diaz Meyer. „Die von uns in Forschungsprojekten erarbeiteten Unterrichtsmaterialien werden von Pädagoginnen und Pädagogen sehr gut angenommen.“ Das Schreibmotorik Institut stellt zudem Lehrkräften wie auch Eltern Übungen und Lernvideos zur Verfügung. Diese wurden bereits von der Europäischen Union ausgezeichnet. https://www.hs-tutorials.eu/

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