BPV im Gespräch mit CDU-Bildungsexperten Gordon Hoffmann

2600 Schüler in Brandenburg haben das Mathe-Abi ein zweites Mal geschrieben.

Besser wurde davon allerdings nichts. Zwar kam in der zweiten Runde keine Logarithmusfunktion mehr vor, aber der Fachprüfungsmittelwert von 6,0 Punkten, lag unter dem der ersten Runde. Da hatte er immerhin noch 7,3 Punkte betragen. (6 Punkte entsprechen übrigens der Note 4+, 7 Punkte der 3-)

Spätestens an dieser Stelle wird klar, wenn der Prüfungsdurchschnitt eines ganzen Jahrgangs zwischen 3 und vier liegt, dann ist das Ergebnis nicht mit einer vielleicht nicht behandelten Funktionsschar begründbar, sondern die Ursachen liegen tiefer. (Immerhin können die Prüflinge bei der Analysisaufgabe zwischen zwei gleichwertigen Aufgaben mit jeweils unterschiedlichen Funktionsarten wählen.

Eine Ursache sieht Gordon Hoffmann in der mangelhaften Qualitätssicherung bei der Aufgabenentwicklung.

Er hatte Akteneinsicht genommen in die Vorgänge rund um die Entwicklung der Aufgaben des diesjährigen Mathematik-Abiturs und berichtete uns über die Ergebnisse.

„Der ganze Vorgang ist absurd – Die erste Kontrollrunde hat offenbar überhaupt nicht stattgefunden. Jedenfalls gibt es dazu keine Akten – aus Gründen, die mir keiner plausibel erklären kann. Bei der zweiten Kontrollrunde haben alle beteiligten Lehrer Bedenken gegen die Aufgaben erhoben. In ihren Hinweisen findet sich die klare Warnung, dass die Aufgabe ‚unterrichtsfern‘ und sogar ‚für das Brandenburger Abitur ungeeignet‘ sei. Diese Warnungen haben die Verantwortlichen offenbar in den Wind geschlagen.“

Das mit Hinweisen und Kritiken von Lehrkräften sehr, sagen wir mal „unkonventionell“ umgegangen wird, ist nicht neu.

Seit Jahren äußern wir zum Beispiel massive Kritik daran, dass die Brandenburger Schülerrinnen und Schüler gemeinsam mit Berlin das Leistungskursabitur schreiben und dass, obwohl sie nur 4 Mathematikstunden pro Woche haben und nicht 5, wie die Berliner.

Außerdem kann ein Berliner Schüler zwischen Grund- und Leistungskurs wählen. Unsere Schüler müssen alle den Kurs auf erhöhtem Anforderungsniveau belegen.

Die geforderte Stofffülle des Brandenburger Lehrplans ist jedoch mit einer solch heterogenen Schülerschaft, wie wir sie in unseren Kursen vorfinden, in 4 Wochenstunden nicht auf Leistungskursniveau vermittelbar. Da fehlen schlicht und einfach die 70 – 80 Stunden zum Üben, die die Berliner Schüler mehr haben.

Das war im Übrigen auch eine Erkenntnis des Gutachtens, dass das MBJS nach dem Debakel in Auftrag gegeben hat

Behauptet wurde auch immer, dass das Brandenburger Matheabi länderspezifisch angepasst werde und einfacher als das Berliner sei.

Diese Argumentation lief jedoch in diesem Jahr völlig ins Leere.

Hier die Fakten: Der Berliner Schüler hat die Wahl zwischen Grund- und Leistungskurs. Hat er sich für den Leistungskurs entschieden und schreibt das Abi, kann er in Analysis, Stochastik und analytischer Geometrie von 2 gleichwertigen Aufgaben jeweils eine wählen und lösen. Hat er sich dabei für die Aufgaben 1.2., 2.2. und 3.2. entschieden, hat er übrigens genau die drei Brandenburger Aufgaben „erwischt“. Dafür hat er 270 Minuten Zeit.

Unsere Brandenburger Matheabiturienten haben in den 270 Minuten noch einen 40-minütigen hilfsmittelfreien Test (15 Punkte) mit Aufgaben zu jedem der 3 Stoffgebiete zu bewältigen und müssen sich außerdem entscheiden, ob Sie die große Geometrieaufgabe (25 Punkte) und die kleine Stochastikaufgabe (10 Punkte) nehmen oder umgekehrt. D.h. Sie wählen nicht jeweils zwischen gleichwertigen Aufgaben, sondern müssen alle 4 Aufgaben gegeneinander abwägen und dann entscheiden.

Für leistungsstarke Mathe-Schüler sicher kein Problem, aber für die anderen?

Übrigens hat ein Berliner Schüler 2 Leistungskurse, der Rest sind Grundkurse. In Brandenburg sind es 5 Kurse auf erhöhtem Anforderungsniveau ….

Und was sagt die Kultusministerkonferenz (KMK)? Sie hat zur bundesweiten Vergleichbarkeit von Abitur-Ergebnissen Standards festgelegt. Demnach sind zwei bis vier Leistungskurse grundsätzlich möglich.

Deshalb hat sich Brandenburg bereits im Frühjahr (lange vor dem diesjährigen Abitur) entschieden, die gymnasiale Oberstufe erneut zu reformieren. Nur zwei Leistungskurse sollen es dann wieder sein. Die Neuregelung soll vom Schuljahr 2018/2019 an gelten. Das Abitur nach den neuen Regelungen könnte dann erstmals im Schuljahr 2020/21 abgelegt werden.

Grundsätzlich ist das Vereinheitlichen der Anforderungen und das Aufstellen von Standards absolut zu begrüßen, schon um das Abitur bundesweit vergleichbar zu gestalten.

Aber, weshalb man sich schon im Vorfeld dieser Reform entschied, auf einen gemeinsamen Aufgabenpool zuzugreifen, obwohl unsere Schüler darauf gar nicht genügend vorbereitet sein können, warum man den Schwierigkeitsgrad schon jetzt leistungskurskonform drastisch erhöhte (fast 30 % der Aufgaben aus dem Anforderungsbereich III, statt wie bisher ca. 15 %) – das ist nicht nachzuvollziehen.

Was heißt das? Die Schülerinnen und Schüler, die in den nächsten Jahren das Abitur in Mathematik ablegen, stehen vor den gleichen Herausforderungen wie in diesem Jahr und müssen die Folgen von Brandenburgs bildungspolitischen Experimenten ausbaden.

Was ist also fürs Erste zu tun, um für die Schülerinnen und Schüler den Schaden zu begrenzen? Die Erhöhung der Anzahl der Mathestunden auf 5 im letzten Jahr der gymnasialen Oberstufe, kann das sicher nicht vollständig kompensieren. Dazu gehört mehr. Wir fordern zusätzlich folgende Maßnahmen:

Aufgabenerstellung

  • Die drei vorgesehenen Kontrollrunden müssen immer durchgeführt werden. Das Auslassen einer Kontrollrunde wegen z.B. Erkrankung eines kontrollierenden Kollegen ist nicht hinnehmbar. Für den Bedarfsfall ist eine Vertretung einzurichten.

  • Der Terminplan für die Aufgabenerstellung ist so zu entzerren, dass dieser auch von den beteiligten Kolleginnen und Kollegen eingehalten werden kann.

  • Nicht nur zwei, sondern mindestens vier Mathematiklehrer sollten in jeder Runde die Aufgaben begutachten.

  • In den Gutachten angeführte Kritikpunkte müssen immer Beachtung finden.

  • Ebenso müssen die Hinweise, die in Auswertung des Abiturs von den Schulen kommen, im Folgejahr bei der Aufgabenstellung beachtet werden.

Vorbereitung der Mathe-Kollegen und Schüler auf die Prüfung

  • Aus den Prüfungsschwerpunkten, die mit dem Beginn des ersten Semesters der Qualifikationsphase veröffentlicht werden, muss eindeutig hervorgehen, was Gegenstand der Prüfung sein könnte und was nicht (Positiv- und Negativliste).

  • Zu jedem Prüfungsschwerpunkt müssen den Mathekollegen Beispielaufgaben mit erwünschter Lösung zur Verfügung gestellt werden.

  • Alte Prüfungsaufgaben müssen mit dem Bewertungsmaßstab im Internet den Schülern zum Trainieren für die Prüfung bereitgestellt werden.

Rahmenplanentwicklung

  • Vor der Rahmenplanerstellung muss geklärt werden, was zum Abiturwissen gehören soll.

  • Erst dann kann die notwendige Unterrichtszeit ermittelt werden. Übersteigt diese die anvisierte Unterrichtsstundenzahl, ist der geforderte Umfang im Rahmenplan zu kürzen oder die Unterrichtsstundenzahl zu erhöhen.

  • Jede Erweiterung des Rahmenplans ist mit zusätzlicher Unterrichtszeit abzusichern.

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